Im Laufe des letzten Sommers hab ich im Umfeld ein älteres Ehepaar kennengelernt, die seit 1996, also seit sage und schreibe 24 Jahren, verschiedene Futterstellen in der Umgebung betreiben. Sie haben einen winzigen Verein (mit 6 oder 8 Mitgliedern) gegründet um Hilfen beantragen zu können. Sie füttern die Katzen, fangen sie ein zum Kastrieren, versuchen manchmal zu vermitteln - ganz analog, sie sind beide über 70 und mit Computern eher nicht am Start...
Bei so einer langen Zeit sind die beiden natürlich in der Stadt ganz gut vernetzt, geliebt und gefürchtet gleichermaßen... aber letztlich betreiben sie das alles aus eigener Tasche, Kastrationen, Futter, Hütten... nicht zu vergessen Benzin, Zeit und Emotionen.
Die beiden erzählten mir von einem leerstehenden Supermarkt, auf dessen Dachboden eine Katzengruppe lebte und ebenfalls von ihnen gefüttert wurde. Das Haus sollte nun abgerissen werden und drei der vier Katzen sind bereits gefangen und versorgt worden, aber ein Kater hatte sich bisher allen Bemühungen entzogen und lebte seit einem Jahr(!) mutterseelenallein auf diesem Dachboden ohne Ausgang und komplett abhängig von der Fütterung durch dieses Ehepaar
Sie hatten schon ein Loch in die Decke des Supermarkts geschlagen und eine Falle hoch auf den Dachboden geschafft, aber leider ist der Mann dabei von der Leiter gefallen und hatte sich verletzt. Jetzt trauten sie sich nicht die Falle scharf zu machen, denn sie würden die unhandliche Falle mit dem darin vermutlich zappelnden Kater nicht vom Dachboden runter bekommen
Ich habe ihnen dann natürlich versprochen, den Kater vom Dachboden zu holen, shitegal wie
Wir haben also gemeinsam die Falle mit leckerem Fisch bestückt, scharf gemacht und gewartet. Nach ner guten Stunde vorsichtig nachgeguckt ....
...uuund...
.... einen leergefressenen Teller in einer leeren Falle vorgefunden.
Schlauer Kerl!
Er hat uns drei Abende verar*** aber dann saß er fest! Ab zum TA, kastrieren und begutachten. Ein wunderschöner großer schwarzer Kater mit einem ganz kleinen weißen Brustfleck. Körperlich in einem tollen Zustand, gute Zähne, saubere Ohren, nicht mal Flöhe. Das einzige was er hat, ist eine merkwürdige Fellbeschaffenheit an seinen Pfoten. Das Fell ist dort sehr aufgehellt und sehr ausgedünnt. Auf dem Dachboden ist ja kein Fußboden gegossen, da ist nur dieses Isolationsmaterial aus Steinwolle/ Glasfaserwolle. Ich nehme an, daß das permanennte Laufen in diesem ekligen Zeug Schuld am Zustand seines Fells ist. Und die Pfoten selbst nebst Sohlen sind aber ok.
Die Fütterleute haben ihn
Mäxchen genannt
In meinem Bad schlief er den Tag über und war nachts munter, untersuchte das Bad ganz ruhig, sprang auch auf Waschbecken und Fensterbrett und sammelte die Leckerchen ein, alles wirklich ruhig und unaufgeregt.
Er lag immer auf seinem safe-Platz hinterm Waschtisch unten im Regal und wartete stoisch alles ab, was ich tat. Klos saubermachen, Vorlesen, meine Katzen schnüffeln lassen, egal! Er lag dort zur Salzsäule erstarrt und wartete. Ich konnte auch die Klospülung betätigen, von ihm kam kein Zucken. Ihm Leckerchen hinwerfen, ihn damit sogar treffen aus Versehen - keine Zucken!! Wenn mir die Wildkamera nicht das Gegenteil gezeigt hätte, hätte ich gedacht, er ist aus Speckstein!
Sorgen machte mir, daß er keinen Anlaß hatte, sein Verhalten zu ändern. Er lebte ja auf seinem Dachboden ein Jahr lang ganz genau so... es hatte sich nur die Größe des Raums und die Beschaffenheit des Fußbodens geändert....
Nachdem er seine Quarantänezeit im Bad abgesessen hatte und auch Schmittchen ausgezogen war, brachte ich Mäxchen hoch in den Katzenraum. Er hatte sich dort seinen safe Platz hinterm Vorhang ausgesucht:
Dann hat sich erstmal lange nichts getan. Also gar nichts. Er war gesund und munter, aber eine Entwicklung fand über Wochen nicht statt. Er war komplett selbstgenügsam, saß hinter seinem Vorhang und patroullierte des Nachts durch seinen Raum.
Das war nicht verwunderlich, denn er kannte es im Prinzip ja nicht anders, aber trotzdem ging es so nicht weiter.
Ich habe ihm dann einen weiteren Kater, Mauro, in seinen Raum dazugesetzt.
Mauro ist ein gefütterter Streunerkater, der wegen starkem Schnupfen reingeholt wurde. Der war es gewohnt in einer größeren Gruppe zu agieren und von ihm hatte ich mir entsprechend soziale Interaktion mit Mäxchen erhofft. Doch es kam leider anders:
Mäxchen hat sich leider total in sich zurückgezogen und spielte des Nachts mit sich und seinen Spielzeugen nur noch auf kleinstem Raum: hinterm Vorhang oder maximal noch unterm Tisch. Er versuchte Auseinandersetzungen mit Mauro aus dem Weg zu gehen, Mauro dagegen suchte regelrecht Streit und wollte sein "neues Revier" sichern. In der Folge ist es zu einer Aufteilung des Raumes gekommen: im Kratzbaum rechts saß Mauro und links hinterm Vorhang Mäxchen.
Ich habe versucht Mäxchen sein Versteck zu nehmen, aber da bekam er eine solche Angst, daß er unter sich gemacht hat und drinn hocken blieb. Dieser große Kater ist in seinem Inneren so eine kleine zarte Seele...
Hier sind ein paar Fotos. Kaum zu glauben, die sind im Abstand von mehreren Wochen entstanden ...
Eines Nachts eskalierte die Situation und Mauro hat Mäxchen verprügelt. Also hab ich die beiden räumlich wieder getrennt und überlegt wie es weitergehen kann. Ich machte mir Vorwürfe, die beiden Kater zusammengesetzt zu haben und kam mir arg naiv vor gedacht zu haben, daß das einfach so gut geht...
Mauro hätte der sozialere von beiden hätte sein sollen, er ist schließlich in einer Gruppe großgeworden. Aber vermutlich hat Mäxchen aufgrund seiner langen Isolation auf kätzisch nicht so reagiert, wie es in Mauros Augen angemessen gewesen wäre. Oder wie eine Freundin sagte: "Mäxchen ist ein Alien, da steht "opfer" ja direkt gross auf der stirn."
Und doch hat "der große Schwarze mit dem blonden Fleck" nach Monaten schließlich seine Chance ergriffen und sein Schicksal in die Hand genommen:
Nachdem ich Mauro aus dem Raum wieder rausgenommen hatte, saß Mäxchen zunächst weiter hinter seinem Vorhang. Aber dann begriff er recht schnell, daß er sicher ist und fing wieder an mit seinen Sachen zu spielen und sie durch die Gegend zu kicken. Dabei passierte es eines Nachts, daß er sich seines eigenen Versteckes beraubt hat. Er hat sein Spielzeug gern im Vorhang eingebuddelt und versteckt um es dann wieder zu suchen und frei zu tatzeln. Dabei hat er den Vorhang derart zusammengeschoben, daß der als verdrehtes Knäuel in der Ecke hing und keinen Schutz mehr bot. Tja Mäxchen... und nu?
Er hat sich dann die Kratzmulde als neuen safeplatz ausgesucht, die steht recht offen auf einem niedrigen Tisch. Das war sehr mutig von ihm und brachte ihm den Vorteil, daß er jetzt auch den Raum jenseits der Gittertür überblicken konnte. Dabei hat er wohl festgestellt, daß Sanja die "menschlichen Attacken" immer prima überlebt und sogar noch Leckerchen in viel größerer Menge bekommt als er selbst.
Eines Tages, als ich Sanja gerade wieder verwöhnte, hörte ich ein Schaf in meiner Nähe blöken. Huch? Es blökte nochmal, Määähäähääää, etwas rauh in der Stimme, aber eindeutig ein Schaf. Ich weiß genau, daß Schafe nicht zu meinem Inventar gehören, es mußte also Mäxchen sein. Und tatsächlich... als ich ihn ansprach, määhte er nochmal. Hab ich natürlich überschwenglich belohnt und dann erstmal das Heulen angefangen, das war einfach soooo schön und entzückend und hach...
Damit war dann, ohne eine für mich erkennbare Vorankündigung, der erste Knoten geplatzt und wir unterhalten uns seitdem fröhlich vor jeder Futtergabe, etwa so:
Mäxchen?
Määh?
Möchtest du SO EINS *mit der Stängelchenverpackung knisternd*?
Määäääääh!!!......Määähääää?
...
...
MÄÄHÄÄÄÄÄ!!?
Ooch, bin ich wieder nicht schnell genug?
Määhhh
Na komm, mein Schatz, hier kriegst du
Mäh
Ich hab dann angefangen viel im vorderen Teil des Raumes bei Sanja auf dem Sofa zu sitzen, da konnte er mich (und Sanja) weiter studieren und als er anfing in meiner Anwesenheit durch den Raum zu laufen und auch seinen Fressnapf aufzusuchen, da war ich dann überzeugt, ich kann ihn nach vorn zu Sanja setzen und er wird sich mir trotzdem nicht entziehen.
Mittlerweile hat er sich supertoll entwickelt, da ist der Knoten geplatzt und er ist ein riesengroßer gaaanz sanfter Kuschelkater geworden. Er kommt sofort an, wenn ich den Raum betrete und maunzt bzw mähäät mich nach Stängelchen an. Wenn ich sie ihm dann gebe, sind sie gar nicht mehr so wichtig, sondern eher DIE Gelegenheit an Streicheleinheiten zu kommen: Schnurrend und sabbernd streicht er mir um die Beine und reckt sich meiner Hand entgegen, Kopf, Wangen, Rücken, alles muß bitte ausführlich gekrabbelt und liebkost werden. Er hat ja soviel nachzuholen...
Er ist ein wunderschöner großer Kater geworden mit einem kecken, reinweißen Brustfleck
(Nur ich hab mich noch nicht in eine wunderbare Fotografin verwandelt und meine von innen verschmierte Kameralinse ist mein Brust... äh blinder Fleck...)
Für ihn wird es, genau wie für Sanja, Zeit, ein neues Zuhause zu finden. Ich erstelle seinen Vermittlungsthread und gab dann Bescheid
Wobei ich mit solchen Fotos in einem Vermittlungsthreaed wohl keinen Blumentopf gewinne. Ich brauche erst ein neues Handy oder eine vernünftige Kamera, sonst wird das nichts mit dem Lack im Schwarzfell